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  • Parlamentarische Initiative Schiesser: Revision des Stiftungsrechts (2001 – 2006)
  • Stärkung des Stiftungsstandorts Schweiz

Parlamentarische Initiative Schiesser: Revision des Stiftungsrechts (2001 – 2006)

Auszüge aus den Jahresberichten von proFonds bzw. AGES (wie proFonds früher hiess):

Jahresbericht 2001

Bei der Interessenwahrung der AGES zugunsten ihrer Mitglieder stand im 2001 die parlamentarische Initiative Schiesser betreffend Revision des Stiftungsrechts im Zentrum. Dieser parlamentarische Vorstoss enthält Vorschläge für eine weitere Liberalisierung des Stiftungsrecht im Zivilgesetzbuch und die Verbesserung der steuerlichen Normen für das Gemeinnützigkeitswesen.

(…)

Die 1993 in Vernehmlassung geschickte Vorlage für ein revidiertes Stiftungsrecht blieb auch im 2001 sistiert. Anstelle einer weiteren Liberalisierung zum Nutzen der Allgemeinheit sah diese Vernehmlassungsvorlage eine verstärkte staatliche Administrierung des Stiftungswesens vor. Die AGES lehnte sie von Anfang an als unnötig weitgehend und zu etatistisch ab. Ausserdem wies die AGES darauf hin, dass sich das geltende Stiftungsrecht im Zivilgesetzbuch grundsätzlich bewährt habe und Verbesserungsbedarf vor allem bei den steuerrechtlichen Rahmenbedingungen bestehe. An dieser Auffassung hat sich nichts geändert.

(…)

Die parlamentarische Initiative Schiesser (paIv) wurde im Dezember 2000 als ausgearbeiteter Entwurf eingereicht. Der Ständerat hat ihr in der Sommersession 2001 Folge gegeben und sie zur weiteren Bearbeitung der Wirtschafts- und Abgabenkommission, Subkommission „Revision des Stiftungsrechts“, zugewiesen. Diese führte im Oktober 2001 Hearings mit Vertretern der interessierten Kreise durch. Als Dachverband der Schweizer Stiftungen war die AGES dazu eingeladen und konnte ihren Standpunkt vertieft darlegen. Ausserdem erarbeitete die AGES eine detaillierte schriftliche Stellungnahme und unterbreitete diese den Kommissionsmitgliedern sowie den betroffenen Bundesbehörden.

Die paIv darf als Gegenpol zur Vernehmlassungsvorlage von 1993 bezeichnet werden. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass sich das bisherige Stiftungsrecht grundsätzlich bewährt hat, und konzentriert sich auf eine selektive Änderung bestimmter Punkte. Angestrebt wird eine gezielte Liberalisierung des Stiftungsrechts sowie des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts. Dadurch sollen die Errichtung und Unterstützung von Stiftungen in der Schweiz noch attraktiver werden. Dieses Ziel verdient volle Unterstützung. Die AGES begrüsst daher die Stossrichtung der paIv.

Jahresbericht 2004

Im folgenden werden ‑ ohne Anspruch auf Vollständigkeit – nur die wesentlichsten Punkte kurz auf­gezählt:

  • Die Errichtung von Stiftungen von Todes wegen soll künftig auch durch Erbvertrag und nicht nur durch Testament möglich sein.
  • Stiftungen werden gesetzlich verpflichtet sein, eine Revisionsstelle zu bestimmen (Revisionspflicht). Unter noch zu bestimmenden Voraussetzungen wird die Aufsichtsbehörde Stiftungen auf Gesuch hin von der Revisionspflicht befreien können. Andererseits werden bestimmte Stiftungen unter ebenfalls noch zu bestimmenden Voraussetzungen einen besonders befähigten Revisor bezeichnen müssen.
  • Mit der Revisionspflicht einher geht die Pflicht zur Buchführung. Sinngemäss sind die Bestimmungen des Obligationenrechts über die kaufmännische Buchführung anwendbar.
  • Bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit einer Stiftung werden künftig bestimmte Massnahmen gesetzlich vorgeschrieben sein (vor allem Erstellen einer Zwischenbilanz zu Veräusserungswerten, Prüfung durch die Revisionsstelle, Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde, Ergreifen der erforderlichen Sanierungsmassnahmen).
  • Stifterinnen und Stifter werden sich in der Stiftungsurkunde ein unübertragbares und unvererbliches Recht zur Änderung des Stiftungszwecks vorbehalten können. Solche Änderungen unterliegen bestimmten inhaltlichen und zeitlichen Schranken (war der ursprüngliche Zweck gemeinnützig, so muss dies auch der geänderte Zweck sein; zwischen zwei Zweckänderungen müssen mindestens zehn Jahre verstreichen).
  • Die in der Praxis eingeführten unwesentlichen Änderungen der Stiftungs­urkunde werden künftig gesetzlich geregelt sein. Dabei handelt es sich um geringfügige Änderungen des Zwecks oder der Organisation einer Stiftung. Solche Änderungen können von der Aufsichtsbehörde bewilligt werden, sofern sie aus triftigen sachlichen Gründen als geboten erscheinen und keine Rechte Dritter beeinträchtigen.
  • Die Aufhebung einer Stiftung bei Unerreichbarkeit ihres Zwecks erfolgt neu durch (konstitutive) Verfügung der zuständigen Behörde. Bislang erfolgte die Aufhebung von Gesetzes wegen. Die entsprechende behördliche Verfügung hatte rein deklatorische Wirkung.
  • Bei der direkten Bundessteuer wird die Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen (Spendenabzug) von zehn auf zwanzig Prozent des Reineinkommens bzw. Reingewinns des Spendenden erhöht. Im gleichen Umfang abzugsfähig sind auch freiwillige Leistungen an Bund, Kantone, Gemeinden und deren Anstalten.
  • Der Spendenabzug wird auch bei der Zuwendung von anderen Vermögenswerten als Geld möglich sein. Dies gilt sowohl für die direkte Bundessteuer als auch für die direkten Steuern der Kantone und Gemeinden.
  • Bei der MWST wird künftig aufgrund sachgerechter Kriterien zwischen MWST-pflichtigem Sponsoring und MWST-freien Spenden Insbesondere wird kein MWST-pflichtiges Sponsoring mehr angenommen, wenn gemeinnützige Organisationen, die Beiträge erhalten, den Namen oder die Firma des Beitragszahlers ein- oder mehrmalig, jedoch in neutraler Form in einer Publikation nennen. Dies gilt auch bei der blossen Verwendung des Firmenlogos oder Original-Firmenzugs des Beitragszahlers.

Jahresbericht 2005

Am 8. Oktober 2004 stimmten die Eidgenössischen Räte der Revision des Stiftungsrechts im Zivilgesetzbuch zu. Zugleich wurde die Revision einiger steuerrechtlicher Bestimmungen beschlossen, die für juristische Personen mit gemeinnützigem Zweck von Bedeutung sind („steuerliches Gemeinnützigkeitsrecht“). Auslöser dieser Revision war die im Herbst 2001 eingereichte parlamentarische Initiative (paIv) von Ständerat Fritz Schiesser. Die Revision zielt darauf ab, ein noch stiftungs- und spendenfreundlicheres Klima in der Schweiz hervorzurufen. Durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen soll es noch attraktiver werden, einen Teil des Vermögens oder Einkommens für gemeinnützige Aufgaben zu stiften bzw. zu spenden.

proFonds sprach sich für eine möglichst rasche Umsetzung der Revision aus, nachdem am 27. Januar 2005 die Referendumsfrist unbenützt abgelaufen war. Die insbesondere von den steuerlichen Verbesserungen erwarteten Impulse für das Schweizer Stiftungs- und Spenden­wesen sollten so rasch als möglich ihre Wirkung entfalten. Nach Erlass der erforderlichen Ausführungsbestimmungen konnte die Revision des Stiftungs- und steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts am 1. Januar 2006 in Kraft gesetzt werden.

Der Inhalt der Revision wurde verschiedentlich ausführlich dargestellt (vgl. vor allem die Jahresberichte 2003 / 2004). Der vorliegende Bericht kann sich daher auf eine allgemeine Charakterisierung des neuen Gesetzeswerks beschränken. Beim eigentlichen stiftungsrechtlichen Teil der Revision ist die Zurückhaltung zu begrüssen, die sich der Gesetzgeber auferlegt hat. Er hat den bewährten liberalen Grundcharakter des Schweizer Stiftungsrechts respektiert und bewahrt. Auf eine umfassende Revision wurde zu Recht zugunsten einer gezielten punktuellen Ergänzung verzichtet. Zum Teil stellt die Ergänzung die Kodifikation der gelebten Stiftungspraxis dar: so zum Beispiel die Einführung der Revisionsstellenpflicht oder die gesetzliche Verankerung der sogenannten unwesent­lichen Urkundenänderungen. Andere Revisionspunkte bringen erweiterte Handlungspielräume für Stifterinnen und Stifter: So ist zum Beispiel die Stiftungserrichtung von Todes wegen künftig nicht nur durch Testament, sondern auch durch Erbvertrag möglich. Neu ist auch die Möglichkeit für Stifterinnen und Stifter, sich in der Stiftungsurkunde eine Änderung des Stiftungszwecks vorzubehalten. Allerdings ist die entsprechende Regelung insgesamt sehr schwerfällig ausgefallen. Es erscheint daher zweifelhaft, ob diese Neuerung zu der von der Revision angestrebten Flexibilisierung der Stiftungen beitragen wird. proFonds ist der Auffassung, dass eine Flexibilisierung wie bisher vor allem durch eine weite Formulierung des Zweckartikels bzw. die Zulässigkeit von alternativen Zwecken erreicht werden soll. Schliesslich stärken bestimmte Revisionspunkte auch die Selbstverantwortung und Good Governance von Stiftungen: Zu erwähnen ist wiederum die Einführung der Revisionsstellenpflicht sowie die neuen Bestimmungen über Massnahmen bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit.

Der wichtigste Teil der Revision ist für proFonds jedoch die Verbesserung des steuer­lichen Gemeinnützigkeitsrechts: insbesondere die Anhebung des Spendenabzugs bei der direkten Bundessteuer von 10 auf 20% des Einkommens der spendenden Person, die Ausdehnung des Spendenabzugs auf Sachspenden sowie die sachgerechte Abgrenzung zwischen steuerfreien Spenden und steuerpflichtigem Sponsoring bei der MWST. Auch nach diesen erfreulichen Verbesserungen bleibt allerdings die Weiterentwicklung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts eine für den Stiftungsstandort Schweiz wichtige Daueraufgabe. Weitere Verbesserungen sind anzustreben. Wichtig ist vor allem, dass nun auch die Kantone den in ihrem Steuerrecht geregelten Spendenabzug erhöhen. Heute begrenzt die Mehrheit der Kantone den Spendenabzug auf 10% des Einkommens der spendenden Person. Nur ganz wenige Kantone gehen weiter. Einige liegen sogar unter 10%. Ausserdem ist eine Verbesserung der interkantonalen Freizügigkeit von Spenden und erbrechtlichen Zuwendungen (Erbschaften, Vermächtnisse) im Bereich der Schenkungs- und Erbschaftssteuer zu postulieren. Weitere grosse Herausforderungen bestehen bei der Mehrwertsteuer. Vor allem wird die seit dem Herbst 2005 von Bundesrat Hans-Rudolf Merz angekündigte tiefgreifende MWST-Reform eingehend zu prüfen sein. Es besteht die Gefahr, dass die geplante Abschaffung der MWST-Ausnahmen für unzählige gemeinnützige Organisationen nachteilig sein könnte. Die Arbeit im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsbereich wird somit nicht ausgehen. proFonds wird sich mit unverminderter Kraft für die Weiterentwicklung bestmöglicher Rahmenbedingungen für gemeinnützige Stiftungen und Vereine einsetzen.

Es ist das Verdienst von Ständerat Fritz Schiesser, dass er mit seiner paIv die Interessen der Stiftungen und der Stiftungsnation Schweiz massgeblich gefördert und einen ersten bedeutenden Schritt in die richtige Richtung ausgelöst hat. Dafür spricht ihm proFonds Dank und Anerkennung aus.