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Neuerungen im Stiftungsrecht: Der Berg hat eine Maus geboren

In der Wintersession 2021 haben die Eidgenössischen Räte ihre Beschlüsse zur parlamentarischen Initiative von alt-Ständerat Werner Luginbühl (paIv) gefasst. Vorausgegangen waren mehrjährige Arbeiten und eine wechselvolle Entwicklung. Ziel der paIv war es bekanntlich, den Schweizer Stiftungsstandort weiter zu stärken. Wurde dieses Ziel erreicht? Was haben die Eidgenössischen Räte beschlossen?

Änderungen der Stiftungsstatuten werden erleichtert: Solche Änderungen sind in einfacher Schriftlichkeit, das heisst ohne notarielle Verurkundung, möglich. Es genügt die Änderungsverfügung der Aufsichtsbehörde gestützt auf eine entsprechende Neufassung der Statuten. Ausserdem werden sogenannte unwesentliche Statutenänderungen weiter erleichtert. Es genügt, wenn die Änderung sachlich gerechtfertigt ist und keine Rechte Dritter beeinträchtigt.

Vom Parlament beschlossen wurde auch eine Stärkung der Stifterrechte durch den sogenannten Organisationsänderungsvorbehalt. Stifter können sich eine auch tiefgreifende Organisationsänderung alle zehn Jahre in den Statuten vorbehalten. Dies ist eine Vervollständigung der bereits seit 2006 bestehenden Regelung, wonach sich Stifter alle zehn Jahre eine Änderung des Stiftungszwecks vorbehalten können.

Die weiteren von der paIv vorgeschlagenen sechs Massnahmen wurden vom Ständerat aus dem Gesetzesentwurf gestrichen. Der Nationalrat hat in diesem Herbst zwei davon wieder aufgenommen: die präzisierende gesetzliche Regelung der Stiftungsaufsichtsbeschwerde und die Regelung, dass angemessene Honorare für Stiftungs- und Vorstandsmitglieder nicht zu der Verweigerung bzw. dem Entzug der Steuerbefreiung führen dürfen (nachfolgend Honorarregelung).

Die Regelung der Stiftungsaufsichtsbeschwerde wurde von den Eidgenössischen Räten nun definitiv in das Gesetz aufgenommen. Allerdings nicht in der von den Stiftungsexperten reiflich durchdachten und austarierten Version. Vielmehr in einer problematisch kasuistischen, das heisst detailbeladenen Regelung. Vor allem aber hat das Parlament die entscheidende Voraussetzung der Beschwerde abgeschwächt: das „berechtigte Kontrollinteresse“, dass die Stiftungsführung im Einklang mit Gesetz und Statuten steht. Geblieben ist ein blosses „Interesse“. Damit widerspricht sich das Parlament selbst: Es wollte die Berechtigung zur Beschwerde möglichst eingrenzen. Sieht so weise Gesetzgebung aus?

Entgegen den Beschlüssen des Nationalrats von diesem Herbst wurde letztlich die Honorarregelung nicht in das Gesetz aufgenommen. Dabei handelt es sich um die wohl wichtigste Massnahme der paIv. Zahlreiche Steuerverwaltungen verweigern noch immer die Steuerbefreiung, wenn den Stiftungsrats- bzw. Vorstandsmitgliedern Honorare bezahlt werden, selbst wenn diese angemessen sind. Das Festhalten am Dogma der Ehrenamtlichkeit ist jedoch überholt und entspricht nicht einer zeitgemässen Good Governance gemeinnütziger Organisationen. Vor allem ist ein solches Honorarverbot kontraproduktiv im Hinblick auf die vielfältigen, anspruchsvollen Aufgaben und die grosse Verantwortung heutiger Stiftungsräte und Vorstände. Das Festhalten an der Ehrenamtlichkeit hindert auch die nötige Diversität in den betreffenden Organen. Es fördert tendenziell eine Überzahl älterer und wirtschaftlich gut situierter Personen. Das Beharren auf der Ehrenamtlichkeit ist auch realitätsfremd, da die Bezahlung angemessener Honorare bereits verbreitet ist, allerdings verbunden mit dem Risiko eines Verlusts der Steuerbefreiung. Dieses Risiko nimmt künftig noch zu, da gemäss neustem Stiftungsrecht Honorare in der Jahresrechnung offen zu legen sind.

Dies alles haben die Eidgenössischen Räte nicht in ihre Erwägungen einbezogen. Insbesondere hat der Ständerat immer wieder ein durch die Realität widerlegtes grosses Missbrauchspotenzial ins Feld geführt, falls die Honorarregelung Gesetz würde. Es bleibt somit bei der Rechtsunsicherheit und -ungleicheit der kantonal verschiedenen Praxen und damit beim bisherigen unbefriedigenden nicht zeitgemässen Zustand. Dies ist umso unverständlicher, als in der Vernehmlassung alle teilnehmenden Parteien sowie einige Kantone die Honorarregelung befürwortet hatten.

Alles in allem haben die Eidgenössischen Räte das Ziel der paIv verfehlt. Wäre die Honorarregelung und die Stiftungsaufsichtsbeschwerde in dem von den Experten vorgeschlagenen Sinn gutgeheissen worden, wäre es trotz Streichung von weiteren vier Massnahmen eine sinnvolle und gute Revision geworden, die tatsächlich den Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsstandort gestärkt hätte.

proFonds wird an den Themen dranbleiben und nun auf anderen Wegen sich für die weitere Stärkung des Stiftungs- und Gemeinnützigkeitssektors in gewohnt engagierter Art stark machen.